Mit Herz und Verstand - zum Aufstieg

 

 

Wäre die Partie zwischen dem HV Grün-Weiß Werder II und dem MBSV Belzig als Spielfilm gelaufen, hätten sich bestimmt viele über das klischeehafte Drehbuch geärgert. Aber dieses Saisonfinale in der Handball-Landesliga/Mitte war real, um so unfassbarer der Ausgang, dass selbst Begriffe wie "Handballkrimi" nur wie eine leere Phrase klingen.

Auf den Rängen in der Werderaner Sporthalle waren schätzungsweise 200 Zuschauer, darunter mindestens 150 aus der Kur- und Kreisstadt. Sie wollten den Spielern von Trainer Harry Kernke die notwendige Unterstützung geben, die sie auch im zweiten Abschnitt kräftig gewährten.

 

Im ersten Durchgang hatten die Anhänger des Tabellenführers nur wenig Grund zum Jubeln. Andreas Korth sorgte zwar für die 1:0-Führung - doch was niemand ahnte, es sollte die letzte während des gesamten Spiel gewesen sein. Die Gastgeber antworteten auf dem Rückstand mit kraftvollen Angriffen und zwangen Trainer Kernke schon in der 7. Minute, beim Stand von 1:5, seine ersten Auszeit zu nehmen. Er mahnte an, in der Offensive ruhiger zu spielen sowie in der Abwehr mehr Präsenz zu zeigen. Beides vergeblich.


 

In der Deckung kamen die Spieler weiter zu spät heraus, ermöglichten den Hausherren dadurch freie Würfe. Die beiden Torhüter Alexander Burghardt und Tilmann Hartisch standen auf verlorenem Posten. Sie bekamen keine Hand an den Ball, egal wie häufig Kernke auch wechselte.

 

Vorn wurden reihenweise gute Möglichkeiten ausgelassen, egal ob Kevin Senst, Maik Fricke auf Außen oder Tommy Boskugel, der den Torhüter berühmt warf. So enteilten die Hausherren bis zur 25. Minute auf 17:10. Erst in den letzten fünf Minuten fanden die Gäste ein wenig besser in die Partie, verkürzten bis zur Halbzeit auf 13:18.

In der Kabine beließ es der Trainer bei einer kurzen Ansprache. Er verlangte nur, ganz egal wie die Begegnung endet, dass seine Spieler angesichts der vielen mitgereisten Fans alles geben müssten.

 

Nach dem Wiederanpfiff erfreuten sich zunächst jedoch nur die Grün-Weißen Anhänger an ihrer Mannschaft, die auf 22:15 davon zogen. Kernke reagierte, machte nun ein paar entscheidende Umstellungen. Senst löste Korth am Kreis ab und Matthias Paul stellte er auf den Außenposten. Noch wichtiger war es aber Marc O'Neil in der Verteidigung auf Christoph Drescher anzusetzen, nachdem Koth und Denis Wandersee es nicht geschafft hatten, die Kreise des gefährlichen Rückraumschützen einzudämmen.

 

Damit war der beste Werfer der Gastgeber aus dem Spiel, zudem wusste sich nun auch Hartisch im MBSV-Tor zu steigern. Nun lief es auch in der Bad Belziger Offensive, die Angriffe wurden konzentrierter ausgespielt.

Das sahen auch die MBSV-Fans auf den Rängen. Sie schrien ihre Mannschaft in den letzten 20 Minuten nach vorn. Dadurch entstand ein Wechselwirkung. Jedes Tor wurde frenetisch bejubelt und die Anfeuerung nahmen die MBSV-Handballer in sich auf, um weitere Taten folgen zu lassen.

 

In der 55. Minuten hatten sich die Gäste bis auf 26:29 herangekämpft. Bei den Werderaner schienen die Kräfte zu schwinden, zumal Drescher in der Offensive als Schütze ausfiel. Etwa zwei Minuten vor dem Abpfiff lagen die MBSV-Handballer noch mit 28:30 zurück, mit dem Beginn der Schlussminute war der Rückstand auf 30:31 geschrumpft.

Kernke nahm seine letzte Auszeit: "Ich habe den Spielern gesagt, jetzt packen wir das hier, die sind nervös. Sie sollten nur nicht zu früh abschließen, ihre Chance würde kommen."

 

Das war geradezu prophetisch. Zehn Sekunden vor dem Ende gab es Freiwurf für den MBSV. Die Spieler entschlossen sich zu einer Variante, die sie erst in der Woche zuvor eingeübt hatten. Der Ball kam zu Fricke, der zuvor einige Möglichkeiten wegließ, doch dieser Wurf landete zum 31:31-Endstand im Netz. Vier Sekunden später ertönte die Schlusssirene und auf Bad Belziger Seite gab es kein Halten mehr. Freude pur bei den MBSV-Spielern, die mit dem Remis den ersten Platz behielten und in die Verbandsliga aufsteigen.

 

In Werder, auf der Rückfahrt und auf der Saisonabschlussparty - überall wurde gefeiert. Selbst einen Tag später, als viele MBSV-Spieler das Heimspiel der Borussen besuchten, war vielen noch gar nicht bewusst, was sich in Werder abgespielt hat.

Trainer Harry Kernke fiel es ebenfalls schwer diese Partie einzuordnen: "Das war alles sehr emotional. Im Nachhinein tun mir auch die Werderaner leid, sie waren 40 Minuten die bessere Mannschaft. Aber wir haben nie aufgegeben. Mein Co-Trainer Thomas Lang hat immer wieder wichtige Tipps gegeben, die wir dann auch umgesetzt haben. In den letzten 20 Minuten haben wir mit Herz und Verstand gespielt, das hat den Ausschlag gegeben."

 

Aus der Meistermannschaft hören der dritte Torhüter Lars Erhardt aus familiären Gründen auf sowie Alessandro Bartsch, der aufgrund seines Studiums seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegt. Aus der Hauptstadt kommt dafür Georg Wendland von NARVA Berlin zurück.

 

 

Der MBSV spielte mit: Burghardt, Hartisch, Merkel 8, Paul 4, Korth 2, Fricke 5, Dreer 1, Boskugel 4, Senst 1, Hainke, O'Neil 6, Gutzmer, Wandersee.

 

MOZ - MT